Der Hintergrund
Eines Tages erzählte mir ein Klient von seinem Kummer, dass er nie etwas Besonderes zu seinem Geburtstag machen könne. Und auch zu Geburtstagen anderer wird er selten eingeladen, wobei er dann auch noch absagen muss. Auf meine Nachfrage zu den Gründen, erläuterte die Mutter mir, dass es entweder zu laut, zu voll oder zu offen sei oder aber das Personal ist nicht geschult. Mit nur zwei oder drei Personen findet sich kaum ein tolles Event.
Bereits seit Jahren biete ich Menschen innerhalb meiner ehrenamtlichen Tätigkeiten die Möglichkeit an, Action Painting zum Spaß, als therapeutisches Angebot oder zu einem besonderen Anlass wahrzunehmen. Bisher mussten wir dafür eine Fahrt nach Hannover meistern, die aufgrund diverser Baustellen mitunter sehr lange dauerte. Und für Menschen im Autismus – Spektrum war die Entfernung und neue Umgebung meist eine besondere Herausforderung.
Nun ergab sich die Gelegenheit einen größeren Raum neben meinen Praxisräumen zu mieten. So fügte es sich, dass ich für meine Klientinnen und Klienten meine Angebotspalette um einen Punkt erweitern konnte: Action Painting – auch für Geburtstage!
Doch das genügte mir nicht. Ich bin so überzeugt von dieser ursprünglich aus Amerika stammenden Kunstform, dass ich sie für jeden Menschen zugänglich machen wollte.
Manchmal steht etwas unter einem guten Stern.
Es gibt eine Halle hinter meinen Praxisräumen, die buchstäblich für „Action Painting inklusiv“ gemacht ist. Zunächst wollte ich testen, ob dies realistisch sei. Hierfür plante ich eine Aktion „Action Painting für Kids im Rolli“, welche allerdings so nicht zustande kam.
Dann las ich eines morgens eher zufällig von der Aktion „Wünsch dir deinen NDR“, bei der Kamerateams tolle Projekte und ehrenamtliches Engagement vorstellen wollten. Ich erinnere mich wie heute, dass ich umgehend meinen warmen Toast beiseitelegte und zu tippen begann. Mein kleines Projekt ist bestimmt zu unbedeutend mutmaßte ich, denn ich habe weder Sponsoren noch stadtbekannte Leumünder. Dennoch wollte ich kurz darauf hinweisen, dass nicht jeder Mensch mit Beeinträchtigung oder Behinderung gern Sport treibt oder ein Musiktalent besitzt und in ihren Werkstätten sieht man sie ebenso häufig. Ich jedoch habe ein Angebot für jeden Menschen – egal was er hat – jeder kann Action Painting!
Warum auch immer, weckte dies offensichtlich jemandes Neugierde. Und so war ich doch tatsächlich unter den Auserwählten für einen Beitrag. Was folgte war ungläubiges Staunen, leichte Gänsepelle – und – große Unsicherheit. Ein Kamerateam möchte Aufnahmen von meiner Arbeit machen? Wie sollte das zu meinem Standpunkt passen, dass ich niemals Aufnahmen meiner Klienten ins Netz stelle …keine Fotos und schon gar keine Videos. Ein Dilemma schien geboren.
Eigentlich ist mir bewusst, dass man Action Painting nicht oder nur unzureichend erklären kann. Wie also sollten die Menschen davon erfahren? Wenn sie schon nicht alle zum selber ausprobieren kommen können, so bringen Bilder und Videos das Angebot doch näher.
Ab da kommt das Team vom NDR ins Spiel. Wie es meine Art ist, habe ich meine Bedenken offen angesprochen. Was soll ich sagen … Olaf Schmidt, der Redakteur hat sich umgehend Zeit genommen und gemeinsam haben wir ein Event geplant, das ehrlich und mit größter Wertschätzung die unterschiedlichsten Menschen beim Aktion Painting begleitet. Ja, es war kein Zuschauen, es war kein „Wir berichten über …“ Es war ein dabei sein, mit sehr menschlichem Blick wahrnehmen und ein Festhalten in Wort und Bild, wie es berührender nicht sein könnte.
Ich übertreibe nicht einen Millimeter, wenn ich hier bekenne:
Ich verneige mich vor dieser erlebten empathischen Fachlichkeit! In meinem Herzen haben Olaf, Wolfgang und Stefan einen festen Platz.
Zeitgleich entwickelte ich Ideen, wie das Angebot eine Bereicherung für meine Stadt Hildesheim werden könnte. Für mich bedeutet Inklusion auch Demokratie. Und was bräuchten wir Menschen mehr, als gemeinsame Begegnungen mit Respekt und Wertschätzung?
Der Plan
Mein Angebot „Action Painting“ bleibt im Raum 1 Teil meiner Praxisangebote. In der Halle soll größeres wachsen. Es wird ein Verein gegründet: „Action Painting inklusiv“ kurz APi genannt. Es sollen mindestens zwei Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Planungen für einen kleinen Umbau sind angelaufen. Mit Hilfe von Spendengeldern sollen zwei behindertengerechte Toiletten/Bad eingebaut werden.
Somit kann das Angebot für alle möglichen Gruppen und alle denkbaren Events zur Verfügung gestellt werden (Geburtstage, Klassen, Abende für Mütter/Väter, Mehrgenerationen Gruppen, Teambildung von Firmen, Jungesellinnen Abschiede, Besuche von Partnerschulen, Fortbildungsmodule HP etc. pp) …
Mein Wunsch
Es finden sich Menschen, die mein Projekt „Aktion Painting inklusiv“ unterstützen möchten und können.
Stellen sie sich kurz eine Person vor, die schwerstmehrfach beeinträchtigt ist und mit zwei Fingern einen Joystick oder den Sprachcomputer bedienen kann. Bei allen notwendigen Dingen des Alltags, wie Essen anreichen, Pippi machen, die Nase kratzen wenn’s juckt oder Zähne putzen … bei allem ist dieser Mensch auf Hilfe angewiesen. Er oder sie kann mit den zwei Fingern einen Farbballon halten. Dieser Farbballon hängt an einem Pendel. Und nun der Moment: der Mensch entscheidet ganz allein, wann er den Ballon loslässt.
Selbstbestimmung … einmal ganz allein bestimmen, wann etwas passiert … können sie sich das vorstellen?
Dieses Pendel wünsche ich mir noch in der Halle. Mehr braucht es nicht.