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Autismus-Spektrum

Autismus-Spektrum-Störung (ASS)

Autismus hat viele Gesichter und da die Übergänge zwischen den einzelnen Ausprägungen fließend sind, wird in den modernen internationalen Diagnoserichtlinien (ICD und DSM) von einer Spektrum-Störung gesprochen.Die genauen Ursachen einer Autismus- Spektrum -Störung sind (noch) nicht geklärt,jedoch ist die veraltete These, Autismus entstehe durch eine gefühlskalte undlieblose Erziehung, durch mangelnde Zuwendung oder psychische Traumata, heutemit Sicherheit widerlegt.

Derzeit werden in Deutschland noch drei Subdiagnosen innerhalb der Autismus-Spektrum-Störungen unterschieden (Frühkindlicher Autismus (F84.0); Hochfunktionaler   Autismus   (ehemals   Asperger-Syndrom   (F84.5). Ich möchte anmerken, dass ich bei der zweiten Kategorie die Bezeichnung hochfunktionaler Autismus vorziehe. Im Jahr 2018 ist bekannt geworden, dass es viele Hinweise dafür gibt, dass der Syndrom-Namensgeber, Hans Asperger, in unheilvoller Weise in die Geschichte der Euthanasie behinderter Kinder im Dritten Reich verwickelt zu sein scheint (Edith Sheffer: Aspergers Kinder, 2018); Atypischer Autismus (F84.1.), wobei nach der neuen Klassifikation der WHO (ICD-11) nur eine Diagnose Autismus-Spektrum-Störung vergeben werden könnte. Allen Ausprägungen einer ASS liegt ein übergeordnetes Strukturprinzip zugrunde. Diese Symptomtrias gilt es zu kennen, da sich darin die individuellen Verhaltensweisen einordnen lassen.

Die Symptomtrias von Autismus – Spektrum – Störungen

Dennoch finden sich in den drei Hauptbereichen, innerhalb derer Menschen im Spektrum besondere Wahrnehmungen aufweisen, teils massive Ausprägungen, die sie und ihr soziales Umfeld zum Teil erheblich in ihrem Lebensalltag einschränken und herausfordern (können).
Die Heterogenität von Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) ist bei der Diagnostik, wie auch in der Förderung stets zu berücksichtigen. Die unterschiedlich gute Kompensierung der noch fehlenden Kompetenzen hat Auswirkungen auf die Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit sowie die Notwendigkeit und das Ausmaß der Unterstützung.

Merkmale der Symptombereiche

Soziale Interaktion

Das fehlende Herstellen gemeinsamer Aufmerksamkeit auf ein Objekt (z.B. ein Kuscheltier) oder Ereignis (etwas Lustiges passiert) ist eines der frühen Symptome bei ASS. Die Intention als Werkzeug sozialen Lernens kann oftmals nicht oder nur eingeschränkt angewandt werden.

Die unter dem Bereich „Beeinträchtigung der sozialen Interaktion“ zusammengefassten Symptome wirken sich ebenso auf andere Symptombereiche aus.

Ein weiteres zentrales Merkmal von ASS sind Auffälligkeiten in der Kommunikation und Sprache. Wenn auch der Spracherwerb stark über das Spektrum variiert, so sind allen Jugendlichen kommunikative Schwierigkeiten gemeinsam. Eine fehlende Wechselseitigkeit in der Kommunikation und ein monologisieren über Spezialinteressen sind nicht selten und erschweren den verbalen Austausch mit anderen.

Die häufig flache und monotone Sprachmelodie reduziert zusätzlich die Möglichkeit kommunikative Bedeutung zu vermitteln.

Eine weitere Herausforderung im Lebensalltag/Schulalltag stellt ein reduziertes Sprachverständnis dar. Ein geringer passiver Wortschatz kann das Verstehen von Sprache erschweren. Ebenso können Schwierigkeiten bei der inhaltlichen Interpretation von sarkastischer, ironischer oder metaphorischer Sprache aufgrund einer zu wörtlichen (konkretistischen) Denkweise den kommunikativen Austausch erschweren.

Da auch Einschränkungen der nonverbalen Kommunikation ein Symptom von ASS darstellen, können die sprachlichen Schwierigkeiten nicht mit vermehrten oder besonders anschaulichen Gesten kompensiert werden. So ist der Blickkontakt insgesamt reduziert und oft nicht sozial moduliert an die Situation angepasst. Die Gesten (Nicken/Kopfschütteln; sprachbegleitende Gesten etc.) werden insgesamt weniger gezeigt. Öfter wird der gleiche Gesichtsausdruck gezeigt.

All dies wirkt sich in beide Richtungen einer Kommunikation aus. So können Betroffene einerseits nur schwer oder oft missverständlich verstehen und sie werden von ihren Mitmenschen missverstanden, da sie sich nur schwer in ihren Befindlichkeiten und Bedürfnissen mitteilen können.

Die Inhalte der Sonderinteressen sind sehr vielfältig und gehen häufig über alterstypische Themen hinaus. Augenscheinlich könnten die Sonderinteressen wie ein Hobby wirken – im zeitlichen Umfang gehen die Spezialinteressen jedoch deutlich über die eines Hobbys hinaus.

Häufigkeit und Begleitstörungen von ASS

Die meisten Menschen im Autismus-Spektrum empfinden ihre Schulzeit als teils hoch belastend.

Laut der AWMF-Diagnostik-Leitlinie für Autismus-Spektrum-Störung (AWMF S3,-LL, 2016) ist derzeit mindestens 1 von 160 Kindern von einer ASS betroffen. Dies zeigt sehr eindringlich, wie wichtig und notwendig es ist, sich auch im Kontext von Schule mit dieser tiefgreifenden Entwicklungsbesonderheit auseinander zu setzen.

Emotionale Probleme, oppositionelles Verhalten sowie Angststörungen sind die häufigsten Begleitstörungen bei Kindern und Jugendlichen im AS. Depressionen, ADHS, motorische Probleme, Schwierigkeiten beim Essen (z.B. stark selektives Essverhalten) und gastrointestinale Störungen und Schlafprobleme stellen zusätzliche Belastungen für die Menschen dar.

Für den schulischen Alltag sind folgende neuropsychologischen Besonderheiten relevant:

  • Aufmerksamkeit
  • Soziale Kognition
  • Verhaltenssteuerung und Selbstregulation
  • Wahrnehmungsbesonderheiten
  • Motorik

 

Die Kenntnis über die jeweiligen Hintergründe liefern oftmals eine Erklärung für das Verhalten und die Schwierigkeiten im (Schul-)Alltag eines Kindes mit ASS. Dadurch ist ein besseres Verständnis und ein fördernder Umgang umsetzbar. Bei z.B. einer sensorischen Überempfindlichkeit kann es schnell zu einer Reizüberflutung kommen, welche mit einer vorrübergehenden reizarmen Umgebung begegnet werden sollte.

In Bezug auf Schule

Das Bundesteilhabe- und das Behindertengleichstellungsgesetz von 2020´sollen die Gleichstellung und Inklusion von Menschen mit Behinderungen fördern – und somit auch von Personen mit einer ASS. Inklusion und Teilhabe im Klassenzimmer ist also ein Recht und bedeutet, dass […] alle Kinder und Jugendlichen an Regelschulen unterrichtet werden können. Da Bildung aber Ländersache ist, wird Inklusion sehr unterschiedlich umgesetzt. Die Umsetzung einer inklusiven Beschulung in verschiedenen Schulformen stellt […] nach wie vor eine bildungspolitische und vor allem pädagogische Herausforderung dar (Teufel, Karolin, Soll Sophie 2021).